Waschen, ohne nass zu werden

Prof. Erdmanns
unwirksamer Emissionshandel

Prof. Erdmann beklagt in seinem Artikel, dass die klimaschädlichste aller Stromerzeugungsarten, die Braunkohleverstromung, durch den Emissionshandel teurer würde. Aber genau das ist Sinn und Zweck des Emissionshandels. Stattdessen fordert Prof. Erdmann die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten an die Kraftwerke nach sogenannten brennstoffspezifischen Benchmarks: demnach bekäme ein Kraftwerk umso mehr wertvolle Emissionsrechte geschenkt, je mehr CO2 es emittiert. Somit würden Verschmutzer belohnt und Klimaschützer bestraft. Beteiligen Sie sich an der Diskussion im Forum ».

Prof. Erdmann:
"Die Europäische Union hat 2005 den CO2-Zertifikate-Handel eingeführt und plant, diesen schrittweise zu verschärfen. So soll die Elektrizitätswirtschaft ab 2013 keine kostenfreie Zuteilung der handelbaren Zertifikate mehr erhalten. Stattdessen sollen die Kraftwerksbetreiber die benötigten Zertifikate von der EU-Kommission kaufen, die sich damit jährliche Einnahmen in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro verspricht. Damit erhalten vor allem die Betreiber von Kernkraftwerken einen deutlichen Wettbewerbsvorteil am Strommarkt. Demgegenüber würden Braunkohlekraftwerke mit zusätzlichen Ausgaben in Milliardenhöhe belastet, weil mit den jetzigen Technologien pro Megawattstunde Elektrizität mehr CO2 als bei anderen Kraftwerken freigesetzt wird [1]. Auf dem zusammenwachsenden europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt würden sich Investitionen in Braunkohlekraftwerke nicht mehr rentieren."

[1] Glückwunsch, Herr Erdmann, richtig verstanden. Genau das ist das Prinzip des Emissionshandels. CO2-intensive Technik wird teuer, sodass es sich lohnt, in CO2-ärmere Techniken zu investieren. Dass Stromgewinnung aus Braunkohle nun mal die dreckigste Art ist, Strom zu gewinnen, dafür kann der Emissionshandel auch nichts. Wüsste ich es aus Ihren Vorlesungen nicht besser, könnte man meinen, das sei Ihnen gerade erst aufgefallen.

Prof. Erdmann:
"Die Braunkohle in Deutschland würde dem Klimaschutz geopfert, obwohl nach Ansicht der meisten Experten künftig auch solche Kraftwerke zur Sicherung der Stromversorgung benötigt werden. [2]"

[2] Wird die Braunkohle nicht dem Klimaschutz "geopfert", wird das Klima der Braunkohle und dem Profit der dahinterstehenden Konzerne geopfert. Dass die Braunkohle auf Dauer für die sichere Stromversorgung unverzichtbar sei, sehen einige Experten anders, z.B. das Umweltbundesamt, die Deutsche Umwelthilfe oder eine Studie im Auftrag von GreenPeace (siehe rechte Spalte und » Material). Ein Blick lohnt sich.

Prof. Erdmann:
"Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) möchte bis Mitte dieses Jahrhunderts eine 50-Prozent-Reduktion der globalen Treibhausgas-Emissionen erreichen. Doch werden die anderen Länder dauerhaft auf die Nutzung ihrer Kohlevorräte verzichten, wenn in Deutschland keine Kohlekraftwerke mehr gebaut werden? Wohl kaum. [3]"

[3] „Die anderen Länder“ werden wohl noch weniger auf die „Nutzung“ ihrer Kohlevorräte (sprich die Umwandlung von Kohle in CO2) verzichten, wenn Deutschland es auch nicht tut. Wie wäre es, wenn Deutschland mit gutem Beispiel voranginge und vormacht, wie man das fossile Energiesystem eines Industrielandes auf Erneuerbare Energien umstellt, statt all sein Geld und Forscher-Know-How in die Rettung einer veralteten Technik zu stecken?

Niemand verlangt, dass wir durch den Braunkohleausstieg in Deutschland das gesamte globale Klimaproblem lösen. Jedes Land trägt seinen Teil dazu bei. Wie sagt der vom Braunkohle-Forum angeführte Experte Socolow so schön: „Das Klimaproblem lässt sich nur in Etappen erzwingen“. Unsere Etappe heißt: Keine neuen Braunkohlekraftwerke.

Prof. Erdmann:
"Ein umfangreicher Katalog klimapolitischer Maßnahmen ist wichtig. Aus strategischer Perspektive dienen diese Maßnahmen dazu, Zeit zu gewinnen, bis die erforderlichen Technologien für eine klimafreundliche Kohlenutzung einsatzreif werden. Dies kann vielleicht noch 20 Jahre dauern. Für die Übergangszeit ist es sinnvoll, rasch wirksame CO2-Reduktionsstrategien wie beispielsweise die Förderung der regenerativen Energien oder die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen zu forcieren. [4]"

[4] Was übrigens durch hohe Strompreise unterstützt würde. Aber die lehnen Sie ja ab. Wenn man in der „Zwischenzeit“ rasch wirksame Technologien, wie Erneuerbare entwickelt hat, warum soll man dann wieder zu alter Technik zurückkehren? Braunkohleverstromung ist doch kein Naturgesetz.

Prof. Erdmann:
"Da wir die kohlereichen Länder nicht dauerhaft daran hindern werden können, ihre Kohlevorkommen zu fördern und zu nutzen [5], empfiehlt es sich, diese Länder frühzeitig in ein globales Forschungsnetzwerk zur klimafreundlichen Kohlenutzung einzubeziehen. Dies böte Gewähr dafür, dass bei der künftigen Umsetzung des technologischen Know-hows keine neuen Hemmnisse entstehen und sich die Möglichkeiten zur klimaschonenden Kohlenutzung rasch verbreiten.[6]"

[5] Wir brauchen niemanden zu hindern, sondern können Alternativen anbieten: ein klimaschonendes, regeneratives und energiesparendes Energiesystem. Überzeugen kann man am besten, wenn man es vorlebt. Das Festhalten an der veralteten Braunkohleverstromung blockiert uns selbst, weil die Investitionen für neue Braunkohlekraftwerke nicht ein zweites Mal für klimafreundliche Technologie ausgegeben werden können.

[6] Merke: wenn wir Deutschen dem Rest der Welt nicht zeigen wie’s geht, kriegt der’s nicht hin. Dafür können wir hier ruhig ein bisschen das Klima ruinieren. Klarer Fall von Selbstüberschätzung, würde ich sagen.

Hier blitzt für einen Moment das eigentliche Motiv hinter der Kampagne auf: wir wollen bitteschön auch in Zukunft kräftig an der Braunkohletechnologie verdienen. Gegen globale Forschungsnetze spricht nichts. Aber neue Braunkohlekraftwerke in Deutschland zu bauen, nur um in einem Forschungsnetz mitreden zu können, dessen Ergebnisse wir nicht brauchen würden, wenn wir keine neuen Braunkohlekraftwerke gebaut hätten, das leuchtet mir nicht ein. Nur für eins brauchen wir die Ergebnisse: um weiterhin Geld verdienen zu können. Darum geht es. Aber dann sollte man das auch ehrlich sagen.

Apropos globales Forschungsnetz: wie wäre es mit einem globalen Forschungsnetz zum Thema „Umstellung fossiler auf regenerative Energiesysteme“?

Prof. Erdmann:
"Wenn der CO2-Zertifikate-Handel einen nachhaltigen Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten soll, muss die EU-Kommission einen Weg finden, der Anreize für Investitionen in neue, klimafreundliche Kraftwerke setzt [7]. Eine Möglichkeit wäre die kostenlose Zuteilung der Zertifikate auf Basis brennstoffspezifischer Benchmarks [8]."

[7] Genau das tut sie: z.B. Erneuerbare und effiziente Kraft-Wärmekopplungsanlagen auf Erdgasbasis (der berühmte Fuelswitch).

[8] Das wäre mit Sicherheit der falsche Weg. Der von der EU angestrebte Emissionshandel tut genau das, was er tun soll: er schränkt klimaschädliche Energieumwandlung ein.

Wenn man nicht zulassen will, dass ein Instrument zu wirken beginnt, das geschaffen wurde, um klimaschädliche Techniken teurer zu machen, verhält man sich wie ein Kind, das gewaschen werden will, ohne nass zu werden. Und dass der Emissionshandel den dreckigsten aller Energieträger, die Braunkohle, am stärksten belastet, entspricht seiner inneren Logik.

Genau dem Gegenteil entspricht der Vorschlag von Herrn Erdmann, die kostenlose Zuteilung auf Basis sogenannter brennstoffspezifischer Benchmarks. Dabei bekommen die Kraftwerke, die pro erzeugter Kilowattstunde Strom besonders viel CO2 ausstoßen, besonders viele kostenlose Emissionszertifikate zugeteilt. Somit wird der vom Emissionshandel eigentlich beabsichtigte Effekt, dass die Erzeugung einer „schmutzigen“ Kilowattstunde gegenüber einer „sauberen“ Kilowattstunde teurer ist, erheblich abgeschwächt.

Prof. Erdmann:
"In der Öffentlichkeit hat Braunkohle heute ein Aschenputtel-Image: fleißig und billig, aber schmutzig. Demgegenüber gelten die erneuerbaren Energien als teuer, aber schön und sexy – wie die Töchter der Stiefmutter im Aschenputtel-Märchen [9]. Dass die Lobbyisten der sogenannten Zukunftsenergien [10] immer wieder neue politische Hemmnisse schaffen, um die Braunkohle zu behindern, kann als eine weitere Parallele zu dem bekannten Märchen interpretiert werden."

[9] Schön gesagt. Aber nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

[10] "Sogenannte Zukunftsenergien"? Halten wir fest:

Möge sich jeder sein eigenes Bild machen, welches Zukunftsenergien sind.

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Erdmann im Original

» Hier finden Sie den Text von Prof. Erdmann im Original.

Weiterführende Informationen

» Keine Stromlücke mit Atomausstieg! Studie des Umweltbundesamtes zur Versorgungssicherheit und Atomausstieg (April 2008, 18 Seiten)

» Stromlücke entspringt strategischem Kalkül der Energiekonzerne! Studie der Deutschen Umwelthilfe zur interessengeleiteten Debatte über die Zukunft der Stromversorgung in Deutschland (April 2008, 8 Seiten)

» Nationales Energiekonzept bis 2020. Studie des Aachener Instituts EUtech zu einer klimaschonenden Energieversorgung bei früherem Atomausstieg (März 2007, 199 Seiten / 16 Seiten Kurzfassung)